Klagemöglichkeit nach abgewiesener Dienstaufsichtsbeschwerde

Gelsenkirchen. Im Rahmen der Anträge nach § 24 GO NRW, die von jedermann gestellt werden können, haben Politik und Verwaltung bei den AntragstellerInnen für reichlich Unbill gesorgt. Die Liste der Beschwerden gegen die Durchführung des Verfahrens ist lang. Sie reicht von der reichlich späten Bestätigung des Eingangs des Antrags, über die Nichteinhaltung der 16-Tage-Frist nach der Geschäftsordnung (§ 7 Abs. 1) für die Ausschussarbeit, bis hin zur Vorlage an das falsche Gremium.

Verwaltung darf nicht selber ablehnen – macht es aber

Ablage statt Vorlage

Vielleicht sogar das größte aller Ärgernisse ist die Ablehnung und Nichtvorlage an das zuständige Gremium durch die Verwaltung. Denn: Die Verwaltung hat bei dem kommunalen Petitionsrecht nach § 24 GO NRW kein materielles Entscheidungsrecht! Dennoch lehnt die Verwaltung eigenständig Anträge einfach ab bzw. gibt sie nicht an die zuständigen politischen Gremien weiter.

Aktuell fallen mir dazu aus dem Gedächtnis zwei Anträge ein. Einer zur IT-Situation in Schulen, wo mir die Verwaltung schrieb, das sei gar keine Petition; obwohl in meinem Schreiben groß „Antrag nach § 24 GO NRW“ drüber steht. Im ersten Satz des Antwortschreibens der Verwaltung heißt es: „Bei ihrem Schreiben vom 11.08.2015 handelt es sich weder um eine Anregung noch um eine Beschwerde. Zu ihrer Frage teile ich ihnen mit,…“

Nach Rüge liegt die Sache mittlerweile dem zuständigen Gremium vor. In einem weiteren Fall wurde mir geantwortet, man sei seitens der Verwaltung bemüht der Anregung nachzukommen. Der Bescheid endet mit der Formulierung „Zukünftig wird Ihr Hinweis dort aber entsprechend beachtet.“

An dieser Stelle muss ich unbedingt erwähnen, dass die Verwaltung damit die rechnungsprüfliche und politische Kontrolle selbst übernimmt, ohne zu beschreiben, wie diese Umsetzung denn erfolgen soll. Zumindest der Hinweis an die Rechnungsprüfung wäre eine tragfähige Basis für eine systemische Umsetzung; denn das Nichtbeachten der Anregung war kein Einzelfall. Klar, dass eine solche Überprüfung der Arbeit der Verwaltung durch die Weiterleitung an das zuständige Gremium nicht nur seinen demokratischen Gang gemacht hätte. So etwas sorgt ja immer auch für Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Probleme mit der Verwaltung kennt jeder Bürger und jede Bürgerin. Das ist das aber auch eine weitere wichtige Funktion von Öffentlichkeit, die auf mannigfache Weise die Arbeit der Verwaltung im demokratischen Rechtsstaat zu kontrollieren hat. Dazu kann den BürgerInnen als Mittel auch die Dienstaufsichtsbeschwerde dienen, die als eine Art Petition das subjektiv-objektive Element der Kontrolle beinhaltet.waiting_in_line

„Netter“ Brief mit tiefgreifender Wirkung – Anschreiben ohne Angabe des Betreffs

Wenn Verwaltung den demokratischen Gang zu den Gremien abblockt, ist das nicht etwas, was man eben mal so tolerieren könnte. Sondern an dieser Stelle wird mit einem „netten Brief“ der Verwaltung, in dem die Frage mal eben schnell beantwortet wird, schlechterdings das gesamte Gewaltenteilungssystem aus den Angeln gehoben. Hört sich dramatisch an. Ist es im Kleinen vielleicht nicht. Wenn jedoch wie hier bei den kommunalen Petitionsverfahren nach § 24 GO NRW die Verfahrensabläufe im Übrigen insgesamt auf dem Prüfstand sind, weil sie bei den Antragstellern nur eins erzeugen – nämlich Unmut über das Nichtfunktionieren – dann ist es schon recht erheblich, wenn sich dieses Nichtfunktionieren beim Zuordnen der Schreiben der Verwaltung fortsetzt, weil ohne Angabe des Gegenstandes in der Betreffzeile, deren Zuordnung erheblich erschwert wird. Wenn auf diese Weise klar wird, dass Verwaltung eine weitere Verfahrensregel, hier die DIN-Norm 5008:2011 nicht beachtet, so wird deutlich, dass im Gesamtzusammenhang kleine Dinge eine große Wirkung haben können.

Entscheidung nach „Verfahrensregeln“ statt nach Hauptsatzung

Nach dieser langen Vorrede möchte ich mein Hauptanliegen nicht zu kurz kommen lassen. Das ist die Mitteilung des OB vom 07.09.15, meine Dienstaufsichtsbeschwerde zur Nichtvorlage an den zuständigen Hauptausschuss sei vom Sachbearbeiter nach den Verfahrensregeln der Stadt zu § 24 GO NRW ordnungsgemäß bearbeitet worden. Dass diese Verfahrensregeln von der Hauptsatzung abweichen, ist dabei insoweit erheblich, als die Hauptsatzung – anders als die Verfahrensregeln – ausdrücklich neben den Fachausschüsssen auch die Vorlage an den Hauptausschuss vorsieht. Wenn der Sachbearbeiter nach Meinung des OB also nach den Verfahrensregeln gehandelt hat, dann war die Nichtvorlage an den Hauptausschuss vielleicht konform mit den (rechtswidrigen) Verfahrensregeln, aber nicht mit der Hauptsatzung (§ 5 Abs. 2). Offensichtlich rechtswidrig ist die Anwendung der Verfahrensregeln statt der Regeln der Hauptsatzung. Dies ergibt sich aus § 24 Abs. 2 GO NRW. Der lautet: „Die näheren Einzelheiten regelt die Hauptsatzung.“

Sackgasse Rechtsweg bei Dienstaufsichtsbeschwerden?

Klar, dass bei dieser eindeutigen Rechtslage ein weiterer Rechtsbehelf gegen die ablehnende Dienstaufsichtsbeschwerde her muss.

Es ist in Rechtsprechung und Literatur jedoch umstritten, ob ein solcher Rechtsbehelf gegen das Ergebnis einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegeben ist. Das Rechtsgefühl aller gerecht Denkenden sagt einem, dass das möglich sein muss. Ein demokratischer Rechtssstaat kann eine solche Entscheidung im Wege der Dienstaufsicht, die sich auf eine falsche Gesetzesgrundlage stützt, und damit als willkürlich anzusehen ist, nicht einfach so stehen lassen. Das wird von feinsinnigen Juristen tatsächlich auch so gesehen. Denn, so deren Argumentation, „geht es im Falle einer Dienstaufsichtsbeschwerde immerhin um den Anspruch des Bürgers, von Amtsträgern korrekt behandelt zu werden.“ Die herrschende Meinung unterstützt diesen Ansatz, in dem sie meint, dass dies in Fällen, wo eine parallele materielle Rechtsverfolgung im Übrigen nicht gegeben sei, einem solchen Anspruch nichts entgegensteht.

Damit wäre der Weg frei für eine gerichtliche Überprüfung der Entscheidung des OB in Bezug auf die Dienstaufsichtsbeschwerde: „In Anbetracht der dienenden Funktion der öffentlichen Verwaltung, wie sie das Grundgesetz unter Durchbrechung bisheriger Verwaltungstraditionen vorsieht, erscheint es durchaus plausibel, unter Hinweis auf Art. 19 Abs. 4 GG eine gerichtliche Überprüfbarkeit dienstrechtlicher Entscheidungen über Dienstaufsichtsbeschwerden jedenfalls dann zu verlangen, wenn wie hier die beanstandete Amtshandlung nicht im Rahmen üblicher förmlicher Rechtsbehelfe mit überprüft werden kann.“

Rechtsanspruch durchsetzen – wer soll das bezahlen?

Fragt sich dann nur noch, wer ein solches Verfahren bezahlen soll. Hier fehlt eine Kostenrisikoübernahme durch die Allgemeinheit, wenn voll und ganz im öffentlichen Interesse auf Einhaltung der Verfahrensvorschriften zur Durchsetzung von Grundrechten (hier: Art. 17 GG – Petitionsrecht im kommunalen Bereich) von Einzelnen geklagt wird. Ohne diese finanzielle Ordnung ist der Anspruch des Einzelnen für die Allgemeinheit tätig zu werden, ein Rechtsanspruch ohne Durchsetzungskraft. Die demokratische Gewaltenteilung läuft damit – hier wie da – ins Leere. Aus dem Grundrecht würde ein Scheingrundrecht. Wie sagte noch das Bundesverfassungsgericht in einem vergleichbaren Sachverhalt: „Die Aufnahme eines solchen „Scheinrechts“ in den Grundrechtskatalog wäre dann kaum verständlich.“

Diese Lücke könnte ein Bürgeranwalt schließen, wie ihn manche Länder in Europa kennen. Der hat als „Volksanwalt“ ein Klagerecht, ähnlich wie in Deutschland die Verbraucherzentrale als Verband ein Klagerecht für die Verbraucher hat. So einfach wäre die Lösung. So schwer ist deren Umsetzung.

Wo der Wille fehlt, fehlt bekanntlich auch das Geld.

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